In der Grazer Triestersiedlung ist manches ein bisschen rauer oder zumindest anders. Dort, konkret an der Adresse Triesterstraße 84/VII im Arbeiterbezirk Gries, ist der Journalist und Künstler Martin Behr aufgewachsen. In einer Zweizimmerwohnung, in der nach dem Tod des Mannes und dem Auszug der Kinder vor allem seine Mutter wohnte – insgesamt 57 Jahre lang. „Triesterstraße 84/VII“ ist das Ergebnis eines fotografischen Langzeitprojektes über die letzten Lebensjahre der Mutter.
Der Journalist und Künstler (G.R.A.M.) Martin Behr ist in der Grazer Triestersiedlung aufgewachsen. Konkret: An der Adresse Triesterstraße 84/VII im Arbeiterbezirk Gries. Rechts der Mur, dort, wo manches ein bisschen rauer oder zumindest anders ist als am linken Murufer. Die im siebenten Stock gelegene 55 Quadratmeter große Gemeindewohnung an der damals wie heute stark befahrenen Durchzugsstraße war lange Jahre ein Domizil für vier Menschen. Nach dem Tod ihres Mannes Otmar (1982) lebte Erna Behr weitere 36 Jahre in der südseitig orientierten, sonnendurchfluteten Zweizimmer- wohnung – der „Mama-Wohnung“.
Ab 1999 hat Martin Behr bei seinen regelmäßigen Besuchen in der elterlichen Wohnung Details dokumentarisch fotografiert. Details, die vom täglichen Leben künden, den Jahreslauf dokumentieren, die Individualität im Alltag einer Seniorin sichtbar machen. Der Mensch, die Bewohnerin ist in den Bildern abwesend, aber über die dargestellten Objekte und Dinge sehr präsent. Sichtbar sind die Spuren ihres Lebens, die Versatzstücke ihrer heilen Welt. Entstanden sind Tausende Fotos der immer gleichen Gegenstände und Situationen, allerdings zu unterschiedlichen Tageszeiten und Lichtstimmungen: Faltenwurf von Kleidungsstücken, Ausschnitte aus dem fest- lich gedeckten Wohnzimmertisch, der Abdruck von abgewaschenem Geschirr auf Küchenrollenpapier, Plüschfiguren, die als Bettdekoration dienten, reale wie künstliche Orchideen, Accessoires wie Fernbedienung, Ladekabel oder Kopfhörer, der Wochenkalender, die Pillenbox, von Jalousien gebildete Helldunkelstrukturen, Stillleben aus dem Badezimmer und noch vieles mehr. Private Bilder, die doch auch über eine Allgemeingültigkeit verfügen: zeitgenössische Vanitas-Bilder.
Die digitalen Farbbilder kontrastieren mit aus den 1980er-Jahren stammenden analogen Schwarzweißfotos, die zufällig in der Wohnung entstanden sind: Also Fotos, die nur zu dem Zweck aufgenommen wurden, um einen fast vollends belichteten Film „auszuknipsen“. Auf diesen älteren Fotos ist Erna Behr – anders als der in 18 Jahren entstandenen Farbbilderserie – mehrfach schemenhaft präsent. „Triesterstraße 84/VII“ ist das Ergebnis eines fotografischen Langzeitprojektes über die letzten Lebensjahre der Mutter, die insgesamt 57 Jahre lang an dieser Adresse gewohnt hat. Die ausgewählten Fotos dokumentieren nicht nur das Sichtbare, sondern auch ein langsames Abschiednehmen – von den Räumen und der darin lebenden Person. Für Martin Behr ist das Buch ein weiterer Schritt in seiner intensiven Beschäftigung mit der Triestersiedlung: Gemeinsam mit seinem ebenfalls aus diesem Stadtteil stammenden Künstlerkollegen Martin Osterider unternimmt er mit dem vielteili- gen Buchprojekt „Triester“ (Camera Austria) seit 2003 eine historisch-fotografische Spurensuche. Das Buch „Triesterstraße 84/VII“ ist eine Hommage an Erna Behr (1923 – 2018) und an ihren Lebensstil.
Hardcover
Fadenheftung, Leinen mit wattiertem Einband, 196 Seiten
378 Abbildungen. Jedem Exemplar liegt eine handsignierte Originalfotografie bei.
24,5 x 24 cm
39,90 EUR (AT) / 38,80 EUR (DE) / 54,80 CHF (CH)